Vereinschronik zum 45. Vereinsjubiläum

Der Stolz jedes Vereines ist eine jahrelange Tradition, ein jahrelanges Bestehen und Wirken im Dienste einer Sache. Und so ist es auch dem hiesigen Turnverein vergönnt, in diesem Jahre ein Jubiläum und zwar das des 45-jährigen Bestehens zu feiern. Der eigentliche Gedanke zur Gründung eines Turnvereines in unserem Dorf, das schon früher als sehr vereinsliebend und vereinspflegend bekannt war, geht auf das Gauturnfest im Jahr 1912 in Gengenbach zurück. Dieses Gauturnfest in der damaligen Zeit, in der man noch nicht den Lebensstandard, in Bezug auf Motorisierung und der sonstigen Vergnügen des heutigen Lebens kannte, gab einigen Männern unserer Gemeinde die Anregung, einen Verein zur Körperertüchtigung und Freizeitgestaltung zu gründen und somit im Dienste des Turnvater "Jahns" dem großen Pionier der Leibeserziehung in unserem Dorf bahnbrechend zu wirken. Und so kam es dann im Frühjahr 1913 zur Gründung des Turnvereins Berghaupten, und zwar hier an dieser Stätte, dem Gasthaus "Adler", das auch heute noch dem Verein als Vereinslokal dient. Bei der damaligen Gründungsversammlung war auch, der sich jetzt noch im Amt befindliche und vor kurzem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete 1. Gauvertreter des Ortenauer Turngaues, Herr Gustav Ottstadt aus Offenburg anwesend. Patenverein war der Turnverein Gengenbach.

Die Vereinsleitung des neu gegründeten Turnvereins setzte sich aus folgenden Mitgliedern zusammen:

1. Vorstand Karl Armbruster (Maschinenführer)

2. Vorstand

1. Turnwart Fritz Daub (Bäcker)

Von diesen Vorstandsmitglieder weilen heute leider keiner mehr unter uns, da sie zum Teil schon länger aus unserer Mitte abberufen wurden.

Zu den Gründungsmitgliedern des Jahres 1913, die damals dem Verein als junge aktive Turner beigetreten sind und ihm bis auf den heutigen Tag die Treue bewahrt haben, zählen:

Wilhelm Brüderle I
Otto Lehmann I
Rudolf Schreiner
Emil Hilberer


Diesen ehemals aktiven Turnern, die als echte und treue Idealisten der edlen Turnsache gelten können, gebührt besonderen Dank, dass sie die ganzen Jahre hindurch, dem Verein die Treue gehalten und bis auf den heutigen Tag bewahrt haben.
Sie haben den Auf- und Niedergang, das Wohl und Wehe des Vereins in den Kriegs- und Nachkriegsjahren der beiden Weltkriege, mit all den politischen Umwälzungen und Spannungen, die dem Wohle des Vereins gedient oder nicht gedient haben, erlebt und sind somit mit der Geschichte des Vereins auf das engste verbunden. Die Stärke des damaligen Vereines betrug etwa 100 Mitglieder, davon etwa ca. 30-40 aktive Turner. Nach Teilnahme an mehreren Turnfesten kam es dann im Jahre 1914 zu Lahmlegung der Turn- und Vereinstätigkeit dadurch, dass die meisten aktiven Turner, die ja alle im blühenden Mannesalter standen, zu den Waffen greifen und ihr Vaterland verteidigen mussten. Vielen diesen Mitgliedern des Vereins war es dann aber nicht mehr beschieden, in ihre Heimat und somit in ihren geliebten Turnverein zurückzukehren, da sie gleichwohl in fernen Landen, als auch in den Grenzen unserer engeren Heimat für ihr Höchstes, nämlich für ihr Vaterland und für ihre Lieben das Leben lassen mussten. Nach dem Kriege wurde dann im Jahre 1919, zumeist durch die Initiative der bisherigen Miglieder und Turner, der Verein wieder ins Leben gerufen.

Die Vorstandschaft setzte sich zusammen aus:

1. Vorstand Fritz Daub
2. Vorstand
1. Turnwart Otto Lehmann I
2. Turnwart Wilhelm Schreiner

Zu den damaligen neu eingetretenen Mitgliedern, die dem Verein bis heute die Treue bewahrt haben, zählen:

Stefan Kranz Adolf Geppert Otto Gießler Otto Feißt Alfons Geppert Otto Lehmann II Ernst Armbruster Heinrich Harter Hermann Schappacher Anton Hilberer Josef Hilberer Franz Schappacher Albert Bergmann Eugen Armbruster Gustav Ley Kurt Möller

Auch diesen Mitgliedern, die schon mehrere Jahrzehnte dem Verein ihre Kraft und Freizeit gewidmet haben, sei an dieser Stelle herzlich gedankt und zugleich aber auch der Wunsch ausgesprochen, ihr Idealismus zur edlen Turnsache und ihre Erfahrung und Können auf turnerischem Gebiete dem Verein und somit der turnenden Jugend mit leuchtendem Beispiel voranzugehen.

Nach Teilnahme an mehreren Gauturnfesten in Achern, Kehl, Haslach und Bodersweier, bei denen der Verein im Vereinswettturnen, sowie auch mit seinen Einzelwettkämpfen oftmals sehr erfolgreich abgeschnitten hat, wurde dann im Jahr 1925 in unserem Dorf ein gauoffenes Wettturnen, verbunden mit der Vereinsfahnenweihe durchgeführt. Leider wurde die Fahnenweihe, die ja dem größten Teil der Anwesenden bestimmt noch in Erinnerung sein wird und auf dem Anwesen des Altbürgermeisters Josef Armbruster in der Talstraße abgehalten wurde, durch die schlechte Witterung sehr stark beeinträchtigt. Die Fahne, die auch heute noch im Vereinsbesitz ist und heute noch dem Verein als Vereinsfahne dient, wurde zu dem damals beachtlichen Preis von RM 250,00 in Freiburg im Brsg. gefertigt. Diese Fahne, die bestimmt mit zu den schönsten des Ortenauer Turngaues zählen dürfte, ist auch heute noch der Stolz des Vereins. Mit dieser Fahne hatte nun der Verein einen wirklichen Mittelpunkt, ein Symbol für Zusammengehörigkeit und Kameradschaft, für Eintracht und Freundschaft untereinander. Denn die Fahne eines jeden Vereines hat ja die Aufgabe, dass sie alle Gleichgesinnten und mit dem gleichen Idealismus zu irgend einer Sache beseelten Männer um sich schart und zusammenruft und dass unter ihrer Schirmherrschaft für alle Zeiten und Generationen die Kameradschaft gewahrt und die gesteckten Ziele mutig angefasst und auch bewältigt werden.
Nach jahrelanger reger Turn- und Vereinstätigkeit, mit Besuch auswärtiger Turnveranstaltungen und Abhaltung eigener Turnfeste, kam es dann im Jahre 1935 zur zweiten Lahmlegung und sogar zur Einstellung des Turnbetriebes und zur Auflösung des Vereins, durch die damalige politische Situation.

Bei dieser Auflösung bestand folgende Vorstandschaft:
1. Vorstand Otto Lehmann I
2. Vorstand Stefan Kranz
1. Turnwart Adolf Geppert, der dieses Amt kurz zuvor von Otto Lehmann II übernommen hatte
2. Turnwart Leo Bruder
folgt Auch der zweite Weltkrieg ging nicht spurlos an den Mitgliedern des Vereins vorüber und hat genau wie der erste Weltkrieg sein Tribut gefordert.
Nach der jahrelangen Auflösung und Stilllegung des Vereins von 1935 weg, wurde dann im Jahre 1954 zur zweiten Wiedergründung aufgerufen. Diese zweite Wiedergründungsversammlung wurde wiederum im bisherigen Vereinslokal "Adler" abgehalten, unter dem Beisein des langjährigen 1. Gauvertreters Gustav Ottstadt, sowie auch verschiedener führender Männer des Patenvereins Gengenbach. Erfreulich war die Tatsache, dass sich fast alle Gründungsmitglieder von 1913, sowie auch die bei der 1. Wiedergründung 1919 und später eingetretenen Turner und Idealisten dem neuen Vereins sich wieder mit Rat und Tat zur Verfügung stellten und somit ihr Idealismus zur edlen Turnsache bekundeten.

Die Vorstandschaft nach der zweiten Wiedergründung setzte sich wie zusammen:

1. Vorstand Otto Lehmann I
2. Vorstand Anton Hilberer
Oberturnwart Adolf Geppert
Schriftführer Helmut Hilberer
Kassier Ludwig Benz

In den folgenden Jahren wurde dann bis auf den heutigen Tag mit dem Besuch von auswärtigen Turnveranstaltungen, mit der Abhaltung von vereinseigenen Festen und ganz besonders mit der jeweiligen Teilnahme einer Vereinsriege an dem 24. Gauturnfest des Ortenauer Turngaues 1955 in Lichtenau und an dem 25. Gauturnfest in Offenburg eine rege Vereinstätigkeit durchgeführt.
Dies ist in kurzen Zügen der Werdegang, das Auf und Nieder des hiesigen Turnvereins, wozu bemerkt werden muss, dass sämtliche Angaben nur auf dem Wissen der Gründungsmitglieder und der älteren Turner geruhen, da durch die damalige Kapitulation 1945 und der späteren Besatzungszeit das Protokollbuch mit sämtlichen Niederschriften verloren ging und bis zum heutigen Tage noch nicht aufgefunden werden konnte.
Wenn man diese vorstehende Chronik des Turnvereins genau durchstudiert, so kommt man zu der Feststellung, dass dem Verein in den 45 Jahren seines Bestehens ein recht wechselvolles Schicksal beschieden war. Das Auf und Nieder durch die beiden schwersten Kriege, die je die Welt durchtobten, reden eine eigene Sprache. Aber all diese und auch die sonstigen Rückschläge haben die Männer des Vereins mit echtem Idealismus zur edlen Turnsache und mit echtem frohem Turnerherzen nicht entmutigen lassen und sind den Weg, den ihnen Turnvater "Jahn", der große Pionier der Leibeserziehung, einst vorgezeichnet hat, bis auf den heutigen Tag unbeirrbar gegangen. Und gerade dieses mutige Fortschreiten auf dem schicksalsschweren Weg der vergangenen Jahrzehnte, soll auch ganz besonders für die heutige Jugend ein Ansporn sein, sich zur edlen Turnsache und somit in ihrem eigenen Interesse zur Körperertüchtigung und Körpererziehung zu bekennen und ihrer Lebens- und Freizeitgestaltung getreu dem Turnerspruch "Frisch - fromm - fröhlich - frei" in der heutigen materialistischen Zeit, echten Sinn und Inhalt zu geben.

Berghaupten, den 17.10.1958
Hermann Rapp